wolfgang schumacher
Ellen Loh-Bachmann (Eloba), Vorsitzende der AG Leverkusener Künstler Eröffnungsrede zur Ausstellung „über räume“ im Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer, 2024 Brandneu erschienen, ist, ich nenne ihn, der „blaue Katalog“, der zwei ausgezeichnete informative Texte des Künstlers Wolfgang Schumacher über sein Werk und des Museumleiters Jürgen Bandsom über die Beziehung des Werkes zum Sensenhammer beinhaltet. Was soll ich denn da auch noch sagen, war mein erster Gedanke. Mein zweiter Gedanke, da gibt‘s noch was, denn, wie Sie sehen, es dominiert die Farbe Blau. Warum? Weil es sich hier nicht nur um über Räume handelt, sondern um Überräume als wichtigste Lebensarchitekturen auf dem blauen Planeten. Museal, industriell, der klare Bezug der Schumacher-Werke zum Sensenhammer und sakral durch den hier auch stattfindenden Erntedankgottesdienst, wie Jürgen Bandsom schreibt. Und weil Blau die Lieblingsfarbe von Wolfgang Schumacher ist, nicht nur per gusto, sondern weil sie sich exemplarisch in sein Werks-Konzept einfügt. Berühmtes Beispiel das Werk „Monochrome bleu“ (1959) von Yves Klein, übrigens eine Arbeit, die das Museum Morsbroich 1967 erworben hat, es steht beispielhaft für Beschäftigung mit der immateriellen Wirkung von Farbe und ihrer Ausstrahlung auf den umgebenden Raum. Blau ist Körperfarbe, Gegenstandsfarbe, der Farbreiz, der von diesen Objektbildern auf Holz ausgeht, die das Umgebungslicht transmittieren oder remittieren. Blau hängt stark vom Licht ab und verstärkt oder verkleinert, je nach Tonlage, die Weite des Raumes. Eine Umfrage in 10 verschiedenen Ländern nach der bevorzugten Farbe hat ergeben, dass die häufigste Antwort immer Blau war. In Deutschland haben sogar 32 Prozent der Befragten für Blau gestimmt. Tatsächlich lässt sich das wissenschaftlich erklären. Denn Farben haben eine psychologische Wirkung auf den Menschen. Blau ist eine beruhigende Farbe. Blau verbindet man auch mit Freiheit, Vertrauen und Aufrichtigkeit – alles positive Attribute. Außerdem sind wir umgeben von der Farbe: Blau ist das Meer und der Himmel, der Horizont, Blau lässt Wünsche offen, gibt gleichzeitig Hoffnung, Ruhe, Transzendenz. Blau lässt die hier zusätzlich angewandte weiße Farbe noch klarer, noch heller, noch weißer strahlen. Blau ist der Farbreiz, der wahr genommen wird, wenn Licht mit einer spektralen Verteilung ins Auge fällt. Blau ist so vielfältig, vom luftigen Himmelsblau bis hin zur matten, samtigen Textur mit einer unendlichen Tiefe, die wir auch in den blauen Bildern hier sehen. Blau ermöglicht ein immersives Bilderlebnis, ein Eintauchen in einen abstrakt-blauen Bildraum, so dass der Betrachter das Gefühl hat, in der Bildwelt physisch anwesend zu sein, sie aktiv zu erleben. Licht und Architektur mit Innen- und Außenräumen in der Veränderung durch unterschiedliche Lichteinflüsse ist ein wichtiges Kriterium in Schumachers Arbeit. Genauso treibt ihn das Thema der veränderten Wahrnehmung an, durch die Loslösung des Raumes von seiner eigentlichen Bestimmung. Eine Auseinandersetzung mit unseren Sehgewohnheiten, die er fotografisch oder malerisch aushebelt. Alles, was über den vom Auge fixierten Punkt hinausgeht, sehen wir unscharf. Wir müssen das Auge wandern lassen, um weitere (Seh- )Erkenntnisse zu gewinnen. Schumachers philosophische Frage: Kann die Erkenntnis auch in umgekehrter Folge, also durch Weglassen, Entfernen, Unschärfe gewonnen werden? Schärft sich so der Blick auf den Raum, wird er bewusster wahrgenommen? Gewinnt er eine andere Bedeutung? Die Fotografie ist der Ausgangpunkt für die blauen Museums-Arbeiten auf Holz. Der Künstler reiste durch die Museumswelt verschiedener Länder, fotografierte Schwarzweißserien mittels schnellem Zoom, Unschärfe, schnellen Schwenks, um bewusst eine Verzerrung zu erreichen, die erwähnte Sehgewohnheit zu hinterfragen. Das Hauptmotiv wird in monochromen Blau mit Weiß-Zusatz, wie bereits beschrieben, gemalt, die immer fünfteilige Detail-Serie ist immer horizontal im oberen Bereich des Werkes zu finden – in Schwarzweiß als Reminiszenz zum Ausgangspunkt, der fotografischen Erst-Serie. Die Fotografie ist hier also mitnichten eine Art der Vorzeichnung für ein Kunstwerk, sondern mit der Malerei gleichwertiger Bestandteil im künstlerischen Ansatz, seiner künstlerischen Forschung – eine Art Synkretismus, Vermischung, Verschmelzung zweier Kunstformen zu einer eigenständigen Kunstposition. Die sich auch in der Videoarbeit, seiner neusten Variante des Themas zeigt. Unter Wiederholung der Gestaltungsmittel Serie, Reduzierung auf Schwarzweiß, schnellen Schwenks und Unschärfe nimmt sie den beschriebenen Ansatz Schumachers erneut auf. Vier Museen in der Umgebung hat der Künstler für diese Arbeit besucht, das Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch-Gladbach, das Deutsche Röntgen-Museum in Remscheid, das Museum Morsbroich und hier das Leverkusener Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer. Diese Aufnahmen kreieren raum- und zeitübergreifende Verbindungen, die in einer Dauerschleife zusammengesetzt zeitbasierte Augenblicke wiedergeben. Ihre Aufmerksamkeit ist gefordert und sicher ergeben sich spannende Gespräche mit dem Künstler über eine vielleicht ganz neue Perspektive ihrer Wahrnehmung. Auch die Zeichnung hat in Schumachers Kunst-Konzept ihren explizit eigenen Ansatz, dient wie die Fotografie nicht als Vorbild für ein Hauptwerk, sie ist ein eigenständiges Gestaltungsmittel auch hier mit dem Grundgedanken, eine neue Wahrnehmung, eine persönlich zu interpretierende Sichtweise zu erreichen. Schnelle Zeichnungen, die durch die Aufhebung der Genauigkeit eine spirituelle, transzendente Wirkung der sakralen Räume vermitteln. Sie entstanden in Kölner Kirchen und Gebetsräumen, weitab von den touristischen Zentren. Wolfgang arbeitet „zweigeteilt“, sehr oft direkt vor Ort, malerisch wie fotografisch, so sind auch diese Zeichnungen hier entstanden, aber natürlich auch in seinem Atelier, wenn er die unterschiedlichen Medien fusioniert. Die drei Industriebilder sind sicher der entschiedenste Hinweis auf den Sensenhammer. Auch sie entstanden zum großen Teil vor Ort. In den stillgelegten Zechen „Nachtigall“ und „Heinrichshütte“ im Ruhrgebiet sowie hier im Freudenthaler Sensenhammer. Hier realisiert er eine andere Variante seiner Entwicklung der Symbiose zwischen Fotografie und Malerei auf dem besonderen Untergrund - Industrie- Stahlblech. Auf den oberen Teil der hochformatigen Arbeiten malte er die Industrieräume, frei mit Pinsel und Farbe, vermischte sie mit Ruß und Rostpartikeln, um den industriellen Charakter zu verstärken, was die Wahl der Ausstellungswand noch mehr unterstreicht. Würden die 3 Arbeiten auf weißer Wand eine powervolle Farbkraft entfalten, betonen sie auf der unebenen, rustikalen Fabrikziegelwand den industriellen Bezug. Im unteren Teil ist die vor Ort erstellte Fotografie im Original aufgebracht, teilweise übermalt, angepasst an den gesamten Bildraum. Über den gesamten schwarz-Weiß reduzierten Bildbereich zieht sich eine Landkarte, ein Netzwerk roter Ölkreide-Linien. Sie erfüllen die Funktion des Bleistifts, der üblicher Weise genutzten Vorzeichnung, aber nicht wie gewöhnlich unter dem Bild zu finden, sondern auf dem Bild, quasi als letzten Strich. Die Regel wird auf den Kopf gestellt. Betonen sie den bildnerischen Inhalt oder wird auch durch diese Linien die Wahrnehmung verändert? Mit der Erfindung der Daguerreotypie im Jahr 1839 trat die Fotografie unmittelbar in Konkurrenz zu den klassischen künstlerischen Gattungen. Insbesondere die Malerei sah sich mit einem neuen Medium konfrontiert, das ganz andere Möglichkeiten der Bildgebung hatte. Gleichzeitig verwehrte man der Fotografie lange Zeit die Anerkennung als künstlerische Technik. Tatsächlich aber führten Maler und Fotografen einen regen, sehr produktiven Austausch. Es entstand ein Wettstreit, der jede Gattung zu neuen Ausdrucksformen anregte. Zur Person: Wolfgang Schumacher ist seit den frühen 80er Jahren in der Kunstszene zuhause, war Schüler des Bobo-Künstlers Eckhard Hargesheimer, gründete mit Mathias Conrad und René Dahm die Leverkusener Künstlergruppe „art venture“. Er ist Mitglied der Studiobühne und hat einige Jahre die Bühnenbilder entworfen. Er ist Gründungsmitglied des Kulturvereins in Burscheid und ist seither im Vorstand tätig, wie auch im Vorstand der AG Leverkusener Künstler. Seine Arbeiten befinden sich in privaten und öffentlichen Sammlungen, die Europa-Union sprach ihm die Anerkennung als Europa-Künstler aus und seine Ausstellungsliste – na ja, die erspare ich Ihnen heute, Sie finden einen Auszug im blauen Katalog. Wolfgang Schuhmacher ist Sohn des Werksfotografen der früheren Stahlfabrik Wuppermann, Toni Schumacher, und selbst ein leidenschaftlicher Fotograf. So erklärt sich sicher sein Ansatz, das fotografische Erbe mit der Malerei, die beiden Medien miteinander zu verbinden, sie sich eigen zu machen, ein eigenes Kunstkonzept zu entwickeln. Er verfolgt einen gezielten gattungsübergreifenden Dialog, immer seriell, immer ausgehend von Stadträumen, Architektur, auch Landschaft und ihren Erweiterungsprozessen, verbunden mit Wahrnehmungsveränderungen durch verschiedene Methoden und dem Thema Licht, das in vielen seiner Serie eine besondere Bedeutung erfährt. Komplexe Themen, denen Wolfgang Schumacher in seinen Kunstserien nicht nur philosophisch auf der Spur ist, denen er seinen ganz eigenen Ausdruck verleiht. Ganz im Sinne eines Fernando Botero: „Nicht die Abbildung der Wirklichkeit ist das Ziel der Kunst, sondern die Erschaffung einer eigenen Welt. Immer neue Ziele und sich immer wieder neuen Anforderungen stellen, denn jeder ist seines Glückes Schmied – hier war es Wolfgang Schumacher. Gratulation, lieber Wolfgang! Und Sie, meine Damen und Herren, schmieden Sie das Eisen, solange es heiß ist (Ovid), noch ist der Künstler hier, zum Gespräch bereit!